Vor ein paar Jahren schon sind wir durch einen Tipp von einem wirklich „coolen“ Typen auf unserem alten Blog auf eine junge Band aufmerksam gemacht geworden, die uns seitdem nicht mehr losgelassen hat. Irgendwo aus dem Nirwana des Internet tauchte ein faszinierendes, aufwendig und aus mehreren Kameraperspektiven gedrehtes Video eines Live-Auftritts einer unbekannten Band auf. Lauter nette, sympathische Musiker, darunter eine bildhübsche Violinistin. Aber das war’s eben nicht. Da war dieser Sänger, der mit der einen Hand einer etwas altertümlich anmutenden Orgel Luft in ihre gefächerte Lunge pumpte (wie bei der Erstversorgung eines Verunglückten mit Sauerstoff) und mit der anderen ein paar Tasten drückte. „Two Hearts Black“, die Musik atmete schwer und konvulsivisch, „I want you to be happy, when I’m gone.“ Entrückt, wie in Trance sang er seinen Text. Dieser Gesang, das war’s. Ansonsten eine Art wundersamer, ekstatischer Post-Rock, nichts vollkommen Neues. Trotzdem erschien uns, was wir sahen und hörten, als etwas Ereignishaftes und unerhört Neues. Die zunächst unerklärliche Faszination, die der Clip erzeugte, veranlasste uns spontan dazu, nach weiteren Clips der Band zu suchen und dem Sänger und offenbar auch Autor und Bandleader Nikolas Benedikt Kuhl auf die Spur zu kommen. Es gab aber nur ein paar wenige Aufnahmen, die anscheinend in einem dunklen Proberaum gemacht worden waren. Sollte das wirklich Country-Musik sein? Weil da einer auf dem Banjo spielte (das bevorzugte Instrument von Nikolas Kuhl)? Post-Country? Post-Rock? Egal, denn das war nicht die Frage. Das Genre spielt doch nur dann eine Rolle, wenn man eine Sache, die letztlich mittelmäßig ist, einsortieren und abhaken möchte. Diesem Affekt verfällt man selbst dann, wenn einem etwas recht gut gefallen hat und es den (in diesem Falle musikalischen) Geschmacksnerven ausgesprochen schmeichelt.
Wir haben gelernt, auf der Hut zu sein, wenn uns etwas gar zu spontan gefällt. In den seltensten Fällen sind wir dann noch bei uns selbst, sondern nur Teil einer Bewegung, einer Mode oder Ideologie, von der wir noch gar nicht gemerkt haben, dass wir ihr angehören. Gefällig sind Raindance Kid aber auf keinen Fall. Stattdessen einigermaßen sperrig und düster. Woher also kam das Interesse? Erst ein paar Tage später die plötzliche Eingebung: „Brel“, sagte Nina, „Jacques Brel“. „Was willst du damit sagen? Wie kommst du plötzlich auf Jacques Brel?“ „Der Sänger von dieser Band. Ist zwar irgendwie abwegig, weil der was ganz anderes macht als Brel, keine Chansons und so, außerdem hat er nicht so hässliche Zähne. Aber diese Emotionalität, das ist es.“
Aber was heißt schon Emotionalität? Wir alle haben Emotionen. Und Musik transportiert doch eigentlich immer Emotionen. Fragt sich nur, welche Emotionen das sind, wodurch sie ausgelöst werden und welche Normen und Diskurse sie in uns verankern sollen. Wir haben uns einmal der wenig vergnüglichen Mühe unterzogen, die Single-Charts und die Charts für Alternative-Rock und Country-Rock auf Youtube durchzuhören. Wir konnten nichts finden, was auch nur ansatzweise der Musik und den Inhalten ähnelte, die wir bei Raindance Kid hörten. Die Charts scheinen einem Kult der absoluten Coolness zu gehorchen. Selbst in Liebesdingen, die immer noch zu den bevorzugten Inhalten der meisten Songs gehören, scheint die Jugend, die sich in den Chartstürmern widerspiegelt, abgeklärt und pragmatisch zu sein. Die neue Generation ist eine der Monaden, für die Autonomie in der Wertehierarchie einen sehr hohen, wenn nicht den höchsten Stellenwert hat. Aber diese gesellschaftlich verordnete Autonomie ist symbiotisch mit der kapitalistischen Marktlogik verbunden. Beziehungen, in besonderer Weise auch Liebesbeziehungen und Partnerschaften werden vorwiegend als Handelsbeziehungen aufgefasst, in denen es für jede Leistung immer auch eine Gegenleistung geben muss. Sie sind verinnerlicht als etwas, das den Gesetzen von Warenbeziehungen gehorcht. In ihnen wird die eigene Individualität wie auch die des Partners entlang ideologischer Wertehierarchien atomisiert – nach Eigenschaften, Kompetenzen, Vorzügen. Die Körper werden ebenso wie die Persönlichkeiten vermessen, fragmentiert und begrifflich kategorisiert. Wie ein Produkt, das wir bei Amazon bestellen können, sehen wir uns selbst und die anderen aus bewertbaren und verwertbaren Segmenten und Eigenschaften zusammengesetzt, aus denen sich Gesamtwert und auch das Preis-Leistungsverhältnis ermitteln lässt. Wie präsentierst du dich auf dem Beziehungsmarkt, wie hoch setzt du deinen Preis an? Wieviel bekommst du zurück, wenn du dich zum Tausch anbietest? Die Verhaltensregeln, die sich angesichts dessen herausbilden, sind sehr schlicht: Versuche, dich nicht unter Wert zu verkaufen, sieh zu, dass du möglichst mehr bekommst, als du gibst, und: Bewahre dir deine Autonomie! (Typische Textzeile: „I don’t need your love anymore!“) Wenn du in irgendeine Abhängigkeit gerätst, hast du schon verloren.
Hinter der Fassade einer coolen, selbstsicheren und spaßorientierten Jugend verbirgt sich Angst vor Statusverlust und Wertlosigkeit, Unsicherheit und der Stress der differenzierten Selbstwahrnehmung und der dazu komplementären Selbstoptimierung aus dem Blickwinkel der Anderen. Bei allem nach außen hin inszenierten Spaß, der zelebrierten Lockerheit, der Offenheit für eine von Bindungen abgekoppelte Sexualität werden die starken und irrationalen Gefühle der Liebe und des Verliebtseins systematisch gedrosselt, weil sonst der Kontrollverlust droht. Coolness ist Verkaufsstrategie und moderne Seinsweise in einem geworden. Und genau das spiegeln die Chart-Singles ohne Ausnahme wider. Noch die triefendsten Schnulzen, von denen es immer noch einige gibt, sind outriert und in den Ausdrucksmitteln konventionalisiert. Sie feiern nur scheinbar die Liebe und das vorgeblich ersehnte und angebetete Gegenüber, sie aalen sich in selbstbezüglichen, schablonenhaft zum Ausdruck gebrachten Emotionen, in einem Narzissmus, der nur auf seine vorhersehbare Wirkung in der Außenwelt schielt. Nirgendwo wagt noch jemand, der es im Musikbusiness zu etwas bringen möchte oder gebracht hat, den irrationalen Ausbruch, den einer ungezügelten, keinen artifiziellen Ausdruckskonventionen unterworfenen Emotionalität. Die unterliegt längst einem Tabu. Emotionalität, sich als ein Ganzes den eigenen überwältigenden Emotionen im performativen Akt zu überantworten und damit den vollständigen Kontrollverlust zu riskieren, gilt geradezu als unanständig und obszön. Es fragt sich nur, ob diese neuen Verhaltens- und Beziehungsnormen, die sich in den Rock- und Pop-Charts widerspiegeln und diese diskursiv verstärken, noch den menschlichen Sehnsüchten und wichtigsten Bedürfnissen gerecht werden können und ob in den fragmentierten Individuen noch echte und tiefe Gefühle brodeln.
Musik ist wie keine andere Kulturtechnik in der Lage, unmittelbar Emotionen auszulösen. Das kann mit einfachsten Mitteln gelingen, in der ernsten Musik ebenso wie in der Unterhaltungsmusik. Anschaulich wird das am besten in der Demonstration von Axis Of Awesome, die mit den immer gleichen vier Akkorden die Refrains von 38 Chart-Songs ironisch herunternudeln. Hier gleicht ein Ei dem anderen, und doch können wir uns den Gefühlen kaum entziehen, die Akkorde und Gesang beim Hören sofort auszulösen vermögen. Diese Klaviatur lässt sich leicht bedienen. Auch Jacques Brels „Amsterdam“ kommt mit nur sechs Akkorden aus. Auf Youtube findet sich eine beeindruckende Vielzahl von Coverversionen dieses Chansons, von Laien ebenso wie von einigen Größen des Musikbusiness. Es ist eine einzige Revue des Scheiterns. Allein die große Edith Piaf kann mit ihrer Version überzeugen. In allen anderen Fällen bleibt ein schales Gefühl zurück. Es ist mithin nicht der Song selbst, nicht die musikalische Struktur und auch nicht der Inhalt, der ihn so einzigartig und legendär gemacht hat. Nicht einmal Jacques Brel mochte ihn, weshalb es keine einzige Studioaufnahme davon gibt. Das Geheimnis liegt in Jacques Brel selbst. In seiner – wenn man es einmal so neutral ausdrücken möchte – Performance. Performance kann man heute getrost mit „Masche“ oder „Stil“ gleichsetzen, mit der Interpreten sich auf der Grundlage der vier oder sechs Akkorde von den anderen zu unterscheiden versuchen. Was bis heute an Brels Chansons fasziniert, lässt sich allerdings nicht im mindesten als kalkulierter Stil oder als Selbstvermarktungsmasche bezeichnen. Getragen vom tonalen Arrangement brechen aus Brel mit scheinbar größter Unmittelbarkeit die Gefühle hervor, die er mit seiner Musik verbindet. Gefühl, Leidenschaft und Gesang verschmelzen zu einer authentischen Einheit, als spreche durch ihn als Medium eine Art Gottheit – oder weniger religiös aufgeladen – das Mensch-Sein selbst. So wie wir von der aufrichtigen Freude, dem Lachen oder dem Weinen eines Menschen unmittelbar gefangen genommen werden. Während das Meiste, was uns an gesanglicher Performance heute dargeboten wird, sich darin erschöpft, Emotionen zitathaft nur zu indizieren, also auf die Emotionen zeichen- und formelhaft lediglich zu verweisen, um sie der geschulten und nicht minder genormten Einbildungskraft der Hörer zu überantworten, scheint Brel die natürliche, materiale Trennung der Menschen mit suggestiver Unmittelbarkeit zu überwinden. Da macht es nicht einmal etwas, wenn man die Texte gar nicht versteht. Mein Französisch jedenfalls ist dafür viel zu rudimentär.
Die poetischen und oft düsteren Texte bei Raindance Kid machen es einem aus anderen Gründen nicht gerade leicht. Vielleicht muss man sie auch gar nicht verstehen, denn – wie bei Brel – werden wir von den authentischen Gefühlen in Bann gezogen, die uns der Gesang von Bandleader Nikolas Kuhl geradewegs ins Herz verpflanzt. Die Texte selbst könnten auch aus lauter Kauderwelsch bestehen und dennoch würden uns die Songs gefangen nehmen. Dabei sind weder die Texte noch das musikalische Arrangement banal.
Wir haben in den letzten Jahren aufmerksam die Entwicklung der Band beobachtet, die irgendwo in Hamburg und in unbeachteten Nischen des Internet eher zögerlich voranschritt. Gegründet von einer kleinen Gruppe von Filmstudenten, traten Raindance Kid zunächst in kleinen Kaschemmen auf, veröffentlichten hin und wieder Video-Ausschnitte von Auftritten, posteten auf Soundcloud und veröffentlichten dort auch eine erste EP. Zum Beeindruckendsten gehören die auf Youtube veröffentlichten Songs, die 2017 auf der Hebebühne in Hamburg aufgenommen wurden. Interessanterweise findet sich bei intensiverer Recherche weit Älteres aus der Werkstatt des heute schätzungsweise 30-jährigen Komponisten, das auf eine beeindruckend lange musikalische Entwicklung verweist. Noch unter dem Künstlernamen Simp reichen seine Veröffentlichungen im Internet bis ins Jahr 2007 zurück, wo er wahrscheinlich gerade erst der Schule entsprossen ist. Und die Bandbreite reicht von Rap über Electro bis hin zu teils sinfonisch anmutendem Alternative-Rock. Mit dem Banjo als Leitinstrument hat sich dann in den letzten Jahren das musikalische Profil verfestigt, das aber immer noch Elemente des Alternative Rock, des Sinfonischen enthält – neben Einflüssen aus der psychedelischen Musik und anscheinend auch des Bluegrass.
Jetzt ist endlich das Debut-Album von Raindance Kid erschienen, „Swayer“, ein durchgefeiltes Konzeptalbum, das man – mit großer Vorsicht gesprochen – als die Wiedergeburt des Existenzialismus in „einer Art Country-Musik“ bezeichnen könnte, die gerade das eigentlich am allerwenigsten ist: Country. Die Weiten des amerikanischen Westens oder eher noch der Südstaaten als symbolschwere Welt der Innerlichkeit. Denn es geht in allen Tracks um die Innerlichkeit des im zweiten Track, dem „Anthem“ vorgestellten „Raindance Kid“, einem aus dem „lyrischen Ich“ hervorgehenden dämonischen zweiten Ich, seinem alter ego: „I mute my own voice, let him do, let him do the talking” und „My guard became my fiend, as we cannot agree, I’m gonna loose myself, I am more him than me.” Dieses Bild eines gespaltenen, ebenso verlorenen wie befreiten Selbst zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Album. Es geht um ominöse Bedrohungen, die sich wie gewaltige Gebirge vor dem inneren Auge aufbauen und in nicht minder gewaltigen Bildern oder Metaphern personalisiert werden und ein eigenes Leben entwickeln („Wintersland“); um ein kleines Universum von Sehnsüchten, Besessenheiten, Versprechen von Freiheit, die auf schwerwiegende Hindernisse stoßen.
Für die Hörer ein ständiges Wechselbad der Gefühle, denen sie sich kaum entziehen können, schon wegen des drängenden, mitreißenden Gesangs, der nuanciert bis in feinste Regungen beinahe jedes nur erdenkliche Gefühl stimmlich-musikalisch ausformuliert, dramaturgisch-kompositorisch so geschickt ins musikalisch immer wieder überraschende Arrangement verwoben, dass die Hörer nur mit großer Mühe auf Distanz gehen können, wo sie sich vielleicht wundern könnten, wie maßlos hier Betroffenheit zum Ausdruck gebracht wird. Aber so weit kommt es eben nicht, und das unterscheidet das Album vom heute gängigen gekünstelten und hemmungslos narzisstischen Betroffenheitskitsch, der die Charts geflutet hat und die menschliche Stimme immer häufiger den technischen Ausdrucksmitteln des Autotune überantwortet. Diese Musik berührt vom ersten Moment an, weil sie – allein schon auf der musikalischen Ebene – den verwundeten Seelen ihrer Hörer aus dem Herzen spricht, die alle gern dazu befreit wären, in dieser Weise selbst von Sehnsucht, Freiheit, existentieller Bedrohung, Verlassenheit und Angst zu singen und geradezu ungehemmt zu klagen („Letter to David“). Wir modernen Menschen sind längst unter der neuen Kultur der Kälte erstarrt, die überbordende Emotionalität als Schwäche beargwöhnt und immer stärker tabuisiert.
Dieses Tabu wird hier überzeugend gebrochen. Wer mit prüfendem Ohr die auf dem Album versammelten Tracks bloß kurz anspielt, wird kaum eine Entdeckung machen, die sofort bis ins Kleinhirn funkt, kein Hit, kein Ohrwurm, der eine zunächst große, aber falsche Versprechung macht. Es bedarf eines geschulten Ohres, um die musikalischen Schätze, etwa von „Dead Heart Choire“ zu heben, was nicht nur zu einem musikalischen, sondern auch durchaus intellektuellen Genuss führt, besonders wo die geradezu sinfonischen Schichtungen mit ihren ausgeklügelten, zarten Dissonanzen hörbar werden. Die Texte aber bleiben schwierig und oft undurchdringlich. Sie sperren sich dagegen, gar zu schnell verstanden zu werden. Da ist einer, der sich in einer winterlichen, jedenfalls wenig heimeligen Landschaft bewegt; und im Subtext vermeint man noch das berühmte Gedicht „Vereinsamt“ von Friedrich Nietzsche zu vernehmen, in dem die Krähen „schwirren Flugs zur Stadt“ eilen und das einsame lyrische Ich heimatlos in der Kälte zurückbleibt. (Nina assoziiert damit sogar Schuberts „Winterreise“, im romantischen Sinne als Metapher einer Lebensreise. Überhaupt, sie höre in den Songs, Texten wie Musik, sehr viel Romantisches.) Es ist einer, der auf dem Weg ist, „between two shores“ („Wintersland“), einer, der gespalten ist, von einem dunklen, bedrohlichen zweiten Ich bedrängt und unterworfen wird, das aber mehr und mehr zu seinem eigentlichen Ich wird, das an seiner Statt zu sprechen und zu singen beginnt, wo sonst nur Sprachlosigkeit bliebe („Anthem“).
Auch im Arrangement übereinander gelagerter Vocals wird das unmittelbar anschaulich: Nur selten bleibt die Stimme von Nikolas Kuhl roh und singulär, sie spaltet sich auf in einen Bass von intensiver, mal bedrohlich, mal warm und beschützend wirkender Untergründigkeit und einen wendigen, spielerisch alternierenden, unruhigen Tenor, der bis ins hohe, zarte Falsett zu reichen vermag, weich in den mittleren Lagen, selten schroff und hart.
Neben den Gefühlen der Einsamkeit und Verlorenheit geht es immer wieder auch um brüchige, jedenfalls unklare Liebesbeziehungen. Anders als im Durchschnitt der in den Charts laufenden Liebeslieder geht es hier aber nicht um den Liebesschmerz der Begehrenden, Verschmähten und Verlassenen, oder um die Aufkündigung einer Beziehung, die keinen persönlichen Gewinn mehr abwirft. Bei Raindance Kid geht es um bestehende Beziehungen, die sich zwischen Sehnsucht, Selbstbetrug und bis zu selbstzerstörerischer Aufopferung aufspannen: „Forgive me, girl, for I have sinned. Scatter our ashes in the wind. The breath of air will take us both away” („Last Song“). Die Beziehungen spiegeln nichts von ihrem gegenwärtig verbreiteten Warencharakter wider, sondern bewegen sich stattdessen in den Sphären von Schuld und Sühne: „Here I am, and my eyes became cold, for I know somehow, I’m still on that road”. In „The Road“, mit dem das Album endet, ist von Dankbarkeit die Rede, dem Wunsch nach Hause zurückzukehren, etwas wie Heimat zu finden, aber auch von dem mit Bedauern geäußerten Wunsch fortzugehen, frei und unabhängig zu sein, oder einfach ganz zu verschwinden, sich lieber aufzulösen, als den Partner oder die Partnerin zu verlassen – ein Drama, das sich nur in moralisch-ideellen Dimensionen abspielen kann.
Dem stellt sich antithetisch Nikolas Kuhl, dieser Raindance Kid mit seiner trancehaften, ekstatischen Musik entgegen, wie ein Heiler, ein Schamane, der in hypnotischer Entrückung die aufgefächerten Widersprüche auf höherer Ebene versöhnt. Ein „Swayer“, einer, der über andere herrscht, weil er, anziehend und fortstoßend, einen zermürbenden Widerspruch lebt. Ein trotzig-optimistischer Regentänzer in verdorrter Gefühlslandschaft. Kein einsamer, gesetzloser Cowboy. Für uns eher indianischer Medizinmann – eben Schamane. Geht zur Not auch mit Cowboyhut.